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Ich liebe das Internet, weil es mich mit Menschen aus aller Welt verbindet und mir jederzeit eine Antwort auf meine Fragen bietet. Leider stellt diese Dauerverfügbarkeit auch einen großen Ablenkungsfaktor dar. Das muss allerdings nicht so sein. Mit verschiedenen Kniffen ist es möglich, mehr Kontrolle über das eigene Verhalten zu gewinnen. Dabei geht es nicht darum, digitale Medien und Geräte zu verteufeln, sondern bewusster mit der Zeit und Energie umzugehen, die in ihre Nutzung fließen. Gerade Konzentration und Produktivität können davon profitieren. Außerdem lassen sich so möglicherweise neue Räume für bedeutungsvollere Tätigkeiten und Interaktionen schaffen.
Die Theorie
Laptop, Handy oder Tablet – digitale Geräte mit Internetzugang sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Diese digitale Dauerbeschallung kann jedoch die Konzentration und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Gerade Smartphones können hier ein Risiko darstellen, da wir diese Geräte in der Regel dauerhaft in unserer Nähe haben.
Smartphones & Social Media vs. Konzentration & Wohlbefinden
In einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2017 wird ein Zusammenhang zwischen der Smartphone-Nutzung und Depressionen, Angstgefühlen und Stress hergestellt. Ob diese Probleme durch die Smartphone-Nutzung entstehen, es sich um Wechselwirkungen handelt oder Menschen mit diesen Symptomen zu einer intensiveren Nutzung tendieren, ist bisher nicht abschließend geklärt. Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigte jedoch einen deutlicheren Zusammenhang zwischen dem persönlichen Wohlbefinden und der Nutzungsintensität eines Smartphones auf. Je häufiger eine Person ihr Handy nutzt, umso wahrscheinlicher berichte sie von Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Zudem schränke übermäßige Smartphone-Nutzung die Fähigkeit zur Achtsamkeit ein. Auch an anderer Stelle zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Smartphone-Nutzung und kognitiven Kapazitäten (zum Bsp. Ward/et al., 2017). Selbst ein ausgeschaltetes Gerät in Sichtweite könne bereits einen merklichen Einfluss auf die Konzentration und mentale Leistungsfähigkeit haben. Auch bei scheinbarer Konzentration auf vorliegende Aufgaben, sei das Gehirn unterbewusst damit beschäftigt, der Versuchung des Smartphone zu widerstehen.
Dies liegt vor allem an der Art und Weise, wie digitale Applikationen und Dienste konzipiert sind. Werbefinanzierte soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder TikTok nutzen raffinierte Belohnungssysteme, um uns bei der Stange zu halten. Die Angst etwas zu verpassen, soziale Bestätigung und aufregende Designelemente sollen unsere Aufmerksamkeit einfangen. Welche perfiden Tricks dabei angewandt werden, schildert beispielsweise dieser Artikel von „Deutschlandfunk Nova“. Auch in der Netflix-Dokumentation „Das Dilemma mit den sozialen Medien“ werden diese und andere Schattenseiten der digitalen Medienkonzerne genauer betrachtet. Verschiedene Studien (zum Bsp. Brooks, 2015) legen nahe, dass die Nutzung sozialer Medien einen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Konzentration haben können.
Eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2016 stellt zudem einen Zusammenhang zwischen Multitasking und einer Verschlechterung der mentalen Kapazitäten her. Ob die Nutzung eines digitalen Gerätes während einer Offlinetätigkeit, die Nutzung mehrerer digitaler Geräte parallel oder das schnelle Wechseln zwischen verschiedenen Anwendungen auf einem Gerät – Aufmerksamkeit und Konzentration leiden. Für ein ohnehin schon zur Desorganisation neigendes Gehirn ist diese Ablenkung wie ein Mixer im Turbomodus.
Digitale Geräte und AD(H)S
Die konstante Verfügbarkeit einer kleinen Dosis „Glücks“ ist gerade bei einem chronisch niedrigen Dopaminspiegel äußerst verlockend. In einer Studie aus dem Jahr 2018 wurde der Einfluss digitaler Medien und insbesondere sozialer Netzwerke auf Jugendliche mit und ohne AD(H)S beobachtet. Die Jugendlichen mit einer AD(H)S-Diagnose erlebten bei übermäßiger Smartphone-Nutzung eine deutliche Verschlechterung ihrer Symptome. Doch nicht nur das: Die Jugendlichen ohne ADHS-Symptome zu Beginn der Studie entwickelten bei zunehmender Smartphone-Nutzung mit der Zeit AD(H)S-ähnliche Symptome. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Nutzung digitaler Medien und Geräte die Ursache für AD(H)S ist. Doch auch hier wird der mögliche negative Einfluss auf die Konzentration und Selbstregulation deutlich. Und: Wer bereits mit einem „Defizit“ startet, leidet im Zweifel umso mehr darunter.
Für mich persönlich macht vor allem die scheinbar perfekte Reizintensität des Smartphones die Verlockung aus. Es überfordert nicht und es unterfordert nicht. Man hat es selbst in der Hand, wie viel Stimulation man bekommt – ganz im Gegensatz zu den echten Herausforderungen des Lebens, die dagegen unkalkulierbar und kompliziert erscheinen. Wer hat nicht schon ewige Stunden im „Checking Loop“ verbracht, statt sich den wirklich wichtigen Dingen zu widmen. Vor allem ist diese Stimulation mit keinerlei Anstrengung verbunden und in Anbetracht emotionaler Barrieren kurzfristig oft die angenehmere Wahl. Daraus kann jedoch auch eine negative Verhaltensspirale entstehen:
Etwas Mühsames anzufangen kann mit emotionalen Barrieren verbunden sein, welche zur Ablenkung mit dem Smartphone verleiten. Diese Form der Prokrastination führt dann nicht nur zu Frustration mit sich selbst, sondern schränkt wie oben erläutert möglicherweise die Fähigkeit zur Selbstregulation noch weiter ein. Neue negative Emotionen vergrößern die Barriere, das Anfangen fällt umso schwerer und die Selbstwirksamkeitserwartung sinkt. Ablenkender Handykonsum erscheint umso attraktiver, um der schmerzhaften Auseinandersetzung damit zu entgehen. Frust und Unzufriedenheit wachsen erneut…
„At the end of the day, while there may not be anything medically wrong with my using Facebook for emotional gain, I’ve realized that I’ve been using it as a crutch to beat back worried thoughts. But finding out that I just got another ”like” on my status update won’t solve the problem of where those thoughts came from in the first place. Or make them go away.“
Sarah Fader in „Quartz“ über ihre Erfahrungen mit der Smartphone-Nutzung und ADHS
Meine Einordnung
Ich bin in keiner Weise „gegen“ digitale Geräte. Und ich vertrete vor allem keine Meinung ala „Smartphones machen dumm und sind die Ursache von AD(H)S“. Allerdings sind die Schattenseiten und insbesondere der Einfluss auf Menschen mit exekutiver Dysfunktion nicht von der Hand zu weisen. Natürlich befinden wir uns noch ganz am Anfang der Erforschung von Folgen und Risiken dieser Geräte und Anwendungen (das erste iPhone kam „erst“ 2007 auf den Markt). Aber wer selbst schonmal erlebt hat, wie einfach man an so einem Gerät hängenbleiben kann, findet hier hoffentlich ein paar Tipps die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Denn zumindest meine anekdotischen Erfahrungen zeigen mir, viele Menschen in meinem Umfeld und ich selbst profitieren von der Reduzierung digitaler Ablenkungen. Ob das Ziel nun die Änderung des gesamten Umgangs oder „nur“ mehr Konzentration in einzelnen Situationen ist – wir sollten unser digitales Leben im Griff haben und nicht umgekehrt.
Tipps für die Praxis
Digitale Medien und Unterhaltungselektronik übten schon in meiner Kindheit eine große Anziehungskraft auf mich aus. Seit fast 10 Jahren reflektiere ich meinem digitalen Medienkonsum nun mit dem Ziel eines bewussteren Umgangs. Auf der einen Seite haben diese Dinge mein Leben in vielen Aspekten bereichert. Ich kann mich mit Freunden am anderen Ende der Welt austauschen oder meinen Wissenshunger zu jeder Tageszeit stillen. Ich habe jederzeit mächtige Werkzeuge zur Organisation an der Hand und werde bestens unterhalten. Auf der anderen Seite habe ich auch zu oft mehr Zeit mit diesen Dingen verbracht, als mir im nachhinein lieb war. Zu oft habe ich mich mit elektronischen Geräten abgelenkt und oft genug entstand so unnötiger Frust. Darum nahm ich mir vor, mehr Kontrolle über diese Dinge zu gewinnen, sie mehr zu meinem Vorteil zu nutzen und Nachteile abzumildern.
Die folgenden Bereiche stellen meiner Meinung nach die Grundlagen eines kontrollierten Umgangs und der Reduzierung digitaler Ablenkungen dar. Denn bloße Willenskraft ist gerade mit einer exekutiven Dysfunktion nicht immer die ideale Lösung. An den meisten Stellen spreche ich vom „Smartphone“, aber im Endeffekt lassen sich diese Konzepte natürlich auf alle internetfähigen Geräte und digitalen Dienste übertragen.
1. Nutzung reflektieren und Regeln definieren
Der erste Schritt ist relativ einfach und ich lege diese Übung allen ans Herz. Versuche einmal über den Zeitraum einer normalen Woche deine Nutzung digitaler Geräte und Medien zu analysieren und reflektieren.
Anregungen zur Reflektion
Fast alle modernen Smartphones bieten die Möglichkeit, sich die Nutzungsdauer des Geräts und einzelner Apps anzeigen zu lassen. Android-Geräte verfügen von Haus aus über eine „Digital Wellbeing App“ (Samsung-Geräte bieten meines Kenntnisstands nach eine leicht abweichende Variante). Auf Apple-Geräten befindet sich ebenfalls standardmäßig ein Dienst zur Erfassung der Handynutzung.
Zu finden sind diese Anwendungen meist in den Einstellungen des Geräts unter „Bildschirmzeit“. Sollte euer Smartphone nicht über solch ein Feature verfügen, gibt es auch unzählige Drittanbieter die Apps dieser Art anbieten. Oft reicht schon die Suche nach „Screen Time“ im entsprechenden App-Store des Geräts. Am PC kannst du beispielsweise mit einem Tool wie „Cold Turkey Blocker“ solche Daten erfassen.
Mögliche Fragen:
- Wie lange nutzt du das Gerät am Tag? Wie häufig entsperrst du es?
- Gibt es Unterschiede zwischen (produktiven) Arbeitszeiten und der Freizeit?
- Welche Anwendungen nutzt du besonders häufig bzw. lange?
- In welchen Situationen greifst du in der Regel zum Handy?
- Auf welchen weiteren Geräten nutzt du in welcher Form digitale Angebote? (Zum Beispiel Laptop, Smart-TV, Tablet usw.)
Intentionen der Nutzung hinterfragen:
- Soll das Gerät eine praktische Funktion erfüllen?
- Geht es um Ablenkung? Wovon möchtest du dich ablenken?
- Geht es darum ein bestimmtes Gefühl zu erreichen? Wie fühlst du dich gerade und wie würdest du dich gerne fühlen?
Es kann schon helfen, sich diese Fragen zu verinnerlichen und immer wieder zu stellen. So entsteht mit der Zeit ein besseres Bewusstsein für den Umgang mit digitalen Ablenkungen und es lassen sich rationalere Entscheidungen bezüglich der Nutzung treffen.
Anregungen für mögliche Umgangsformen
Definiere für dich, wie du mit deinen Geräten umgehen möchtest. Die Reflektion deiner Nutzung hat dir den Ist-Zustand aufgezeigt. Womit bist du bereits zufrieden? Dafür kann man sich auch definitiv mal selbst ein Lob aussprechen. Woran würdest du gerne etwas ändern? Wo siehst du Schwierigkeiten? Mache dir einmal Gedanken über klare Regeln und Umgangsformen, die du für dich etablieren möchtest. Wie diese aussehen ist natürlich vollständig dir überlassen. Am Ende steht dein persönliches Wohlbefinden im Mittelpunkt.
- Welche Rolle oder Funktion soll das Gerät in deinem Leben haben:
Oft greifen wir automatisch aus Reflex zu unserem Handy und digitalen Geräten. Auf Basis der vorherigen Reflektion kannst du dir nun genauer überlegen, wofür brauchst du das Gerät eigentlich? Wann und wo ist es notwendig? Lassen sich bestimmte Funktionen auch durch analoge Alternativen ersetzen? Damit soll in keiner Weise die Möglichkeit der Nutzung zur bloßen Zerstreuung abgesprochen werden, wenn du das weiter tun möchtest, ist das vollkommen okay. Aber auch da kannst du dir überlegen: „Wann und in welchem Rahmen möchte ich das wirklich?“ - Überlege dir, wie viel Zeit du am Tag mit dem Gerät verbringen möchtest:
Natürlich liegt das nicht immer in der eigenen Hand, wenn man beispielsweise für die Arbeit darauf angewiesen ist oder etwas Unvorhergesehenes passiert. Einen groben Zielbereich zu formulieren kann aber schonmal dabei helfen, wieder mehr Kontrolle zu erlangen. Du kannst zum Beispiel mit unterschiedlichen Zeitvorgaben experimentieren und schauen, wie sich diese auf dein Wohlbefinden auswirken. Für mich hat sich so ein Richtwert von max. 1,5h bis 2h Smartphone-Nutzung über einen Tag verteilt etabliert. - Schaffe dir bewusst Freiräume ohne digitale Geräte:
Für mich sind digitale Geräte mindestens eine Stunde nach dem Aufstehen und eine Stunde vor dem Zubettgehen tabu. Das hilft mir den Tag ruhig und konzentriert zu beginnen und am Abend für gesunden Schlaf zur Ruhe zu kommen. Wann möchtest du mal Abstand von der Dauerverfügbarkeit finden? Vielleicht beim Abendessen mit Freunden oder der Familie? Gerade der Sonntag bietet sich an, um auch mal einen kompletten handyfreien Tag einzulegen. Und besonders wichtig: echte Entspannungspausen sind nur ohne digitale Medien möglich, denn der stimulierende Charakter lässt das Nervensystem nicht zur Ruhe kommen. - Versuche Multitasking zu vermeiden:
Schaue, wo du das Gerät wirklich brauchst und wo es nur „Beiwerk“ ist. Wenn du eine Serie schauen möchtest, dann versuch das ohne Handy zu tun. Wenn du das Handy benutzen möchtest, dann tue es mit klarer Intention. Dies verhilft zu mehr Achtsamkeit und Bewusstsein für das Vorliegende.
2. Ablenkungen minimieren
In einer idealen Welt würden Selbstreflektion und Willenskraft ausreichen. Aber so ist es leider nicht. Zudem lässt sich auch nicht immer auf ein digitales Gerät verzichten. An vielen Stellen lassen sich Ablenkungen aber minimieren. Natürlich gibt es hier kein richtig oder falsch. Experimentiere einfach mit den einzelnen Stellschrauben und schau, was für dich funktioniert.
Zur Einrichtung dieser Optionen:
Ich würde gerne an allen Stellen genau erklären, wie man diese Änderungen an seinen Geräten vornimmt. Allerdings würde das bei der Vielzahl der möglichen Hersteller hier einfach den Rahmen sprengen. Solltest du die entsprechenden Einstellungen nicht finden, hilft dir in der Regel eine Online-Suche mit der Option & dem Namen des Geräts bzw. Herstellers. Zum Beispiel: „Benachrichtigungen deaktivieren iPhone“.
Benachrichtigungen
Eine neue E-Mail, Social-Media-Likes oder eine Nachricht mit lustigen Tierbildern – ständig macht uns unser Handy darauf aufmerksam, dass etwas aufregendes genau jetzt in diesem Moment passiert. Das verleitet jedoch oft dazu, mit diesen Diensten zu interagieren und kostet uns schnell unseren Fokus. Die Lösung ist relativ simpel, schalte all die Benachrichtigungen aus, die du nicht wirklich benötigst. Dies gilt auch für Benachrichtigungen, die man beispielsweise von sozialen Netzwerken per E-Mail bekommt. Statt auf jede eingehende Benachrichtigung sofort reagieren zu „müssen“, kannst du nun gezielt zu bestimmten Zeiten zum Bsp. deine E-Mails checken (hier kommen also die zuvor definierten „Regeln“ ins Spiel).
Wer möchte kann noch einen Schritt weiter gehen. Die Tools zur Kontrolle der Bildschirmzeit bieten oft auch die Möglichkeit alle Benachrichtigungen für bestimmte Zeiträume stummzuschalten. So kannst du dein Handy beispielsweise während der Arbeit frei von Ablenkungen halten. Auf dem iPhone besteht zudem auch die Möglichkeit sich in regelmäßigen Abständen nur eine Zusammenfassung aller Benachrichtigungen anzeigen zu lassen. Über Drittanbietersoftware lässt sich diese Funktion auch auf Android-Geräten nutzen, beispielsweise mit der App „Glimpse Notification“ oder dem „Niagara Launcher„.
„Bitte-Nicht-Stören“-Modus
Die Stummschaltung von Benachrichtigungen ist oft Teil des „Bitte-Nicht-Stören“-Modus. Diesen kann man je nach Gerät zudem so konfigurieren, dass das Handy nur bei äußerst wichtigen Ereignissen, wie Anrufen bestimmter Personen, auf sich aufmerksam macht. Außerdem freut sich euer Umfeld, wenn euer Smartphone nicht bei jeder Kleinigkeit vibriert oder einen Ton von sich gibt. Auch die ablenkende Aktivierung des Displays bei Benachrichtigungseingang kann hier meist deaktiviert werden.
Social-Media- und Messenger-Dienste ausmisten
Wer schon etwas länger im Internet unterwegs ist hat vermutlich schon einige Social-Media- und Messenger-Dienste ausprobiert. Welche davon sind noch zeitgemäß? Welche nutzt du regelmäßig aktiv und bei welchen schaust du nur auf der Suche nach Ablenkung rein? Hier auszumisten reduziert unmittelbar potenzielle Ablenkungsquellen und kann auch aus Gründen der Datensicherheit sinnvoll sein.
Feeds aufräumen
Bei den verbliebenen Diensten kannst du nun schauen, welche Abos und Informationen du wirklich brauchst. Oft sammeln sich hier über die Zeit unzählige Informationsquellen an, die eigentlich gar keine Relevanz mehr haben. Diese „Störgeräusche“ auszumisten reduziert ebenfalls den Fluss an Informationen und Benachrichtigungen, die auf dich einströmen. Auch Newsletter-Abonnements etc. kann man regelmäßig hinterfragen.
Social-Media auf den Desktop verlagern
Für mich hat es einen großen Unterschied gemacht die Social-Media-Nutzung weitestgehend vom Smartphone zu verbannen. Stattdessen checke ich zu festgelegten Zeiten meine Social-Media-Profile am Laptop. Dies reduziert das Risiko deutlich, immer wieder auf der Suche nach Neuigkeiten die Apps zu aktualisieren. Möchtest du nicht völlig auf die mobile Nutzung sozialer Medien verzichten, kann es schon helfen auf die mobile Webanwendung im Browser des Smartphones zurückzugreifen. Glaub mir: Man verpasst deutlich weniger, als man denkt.
“Inbox Zero“
Das Konzept „Inbox Zero“ bezieht sich vor allem auf die Nutzung von E-Mail-Diensten, kann jedoch auch auf andere Bereiche gut übertragen werden. Ziel ist nicht der wortwörtliche leere Posteingang, sondern eine strukturierte Organisation des Nachrichteneingangs. Der Posteingang oder die Messenger-App wird zu einer Art Ablage, die auf einen Blick offene Kommunikation zeigt. Viele E-Mail-Anbieter bieten auch die Möglichkeit Tags oder Labels zu nutzen, die bei der Organisation helfen. Alles andere wird mit Ordnern wegsortiert oder bei Messenger-Apps einfach ins Archiv verschoben.
Das Internet ist voll mit spannenden Ausführungen zu den Anwendungsformen dieses Konzepts. Wichtig ist der Grundgedanke: Statt vor einem unübersichtlichen Haufen an Nachrichten und Informationen zu sitzen, nimmt man selbst den Informationsfluss in die Hand. Außerdem ist es für den Kopf einfach beruhigend, nicht vor einem Berg an undefinierten Nachrichten zu sitzen.
Geräte außer Sichtweite aufbewahren
Du brauchst dein Smartphone gerade nicht? Dann bewahre es am besten außer Sicht- und Greifreichweite auf. Wie weiter oben erläutert, kann bereits das Smartphone in der Nähe für eine unterbewusste Ablenkung sorgen. Also ab in ein anderes Zimmer damit.
„Langweiligere“ und aufgeräumte Geräte / Smartphone-Launcher
Unter „Launcher“ versteht man beim Smartphone die Bedienoberfläche samt ihres Funktionsumfangs. Während Apple-Geräte nur den Systemlauncher bieten, lassen sich unter Android auch alternative Launcher installieren. Dies geht simpel über den Play Store und erfordert keine besonderen Kenntnisse. Mit einer einfachen Deinstallation, lässt sich zurück zum Standardlauncher wechseln. Egal welche Oberfläche du bevorzugst – dein Smartphone bietet viele Möglichkeiten, die Nutzung uninteressanter und „unbequemer“ zu machen:
- Unnötige App-Icons vom Homescreen oder aus Schnellzugriffen entfernen
- Apps ggf. ausblenden
- Oberflächen generell „clean“ und aufgeräumt halten
- Weniger farbenfrohe Designs wählen
Viele dieser Launcher wurden bewusst mit dem Ziel entwickelt digitale Ablenkungen zu reduzieren. Mein absoluter Favorit ist der „Niagara Launcher“ für Android. Dieser bietet einen reduzierten Schnellzugriff für wirklich wichtige Anwendungen und verzichtet ansonsten auf überladene Ordner. Zudem bietet er ein eigenes Widget, das Termine, Benachrichtigungen und Informationen reduziert und zielgerichtet aufbereitet (ich persönlich bin aber einfach zu sehr an das Google-Homescreen-Widget gewöhnt). Zukünftig soll der Launcher zudem eine Funktion bieten, die für ein besseres Bewusstsein direkt in der Oberfläche die Nutzungsdauer von Apps nachvollziehbar macht.
Um weniger von den Icons der Apps zur Nutzung animiert zu werden (ja, selbst da findet die Konditionierung statt) kann man mit „Icon Packs“ die Symbolbilder der Anwendungen austauschen. Dies funktioniert unter iOS und Android. Ich nutze beispielsweise das „Whicons – White Icon Pack“.
Diese Anregungen lassen sich natürlich auch auf Desktop-PCs oder Laptops übertragen. Der Gedanke ist, alles möglichst langweilig zu gestalten und wirklich nur die extrem relevanten Dinge im Schnellzugriff zu haben. Eine App oder Anwendung bewusst „ansteuern“ zu müssen, gibt oft nochmal Zeit, um die Nutzung zu reflektieren. Man muss nicht alles super ordentlich strukturieren und sortieren, aber zumindest die direkten Arbeitsumgebungen möglichst clean und aufgeräumt zu halten, kann den Blick für das Wesentliche schärfen.
Schwarz-Weiß-Modus
Wer die Stimulation noch weiter reduzieren will, kann sein Smartphone auch in einen monochromen Modus versetzen. Auf Android-Geräten findet ihr die Option dafür in der Digital-Wellbeing-App. Auf dem iPhone könnt ihr in den Einstellungen unter „Bedienungshilfen“ > „Farbfilter“ > „Graustufen“. Vielleicht tut es aber auch schon ein schwarzes Hintergrundbild.
Alternativen finden
Oft nutzen wir unser Smartphone einfach aus Bequemlichkeit oder weil wir es nicht anders gewohnt sind. Doch für viele Anwendungsfälle lassen sich (analoge) Alternativen finden. Hier muss man für sich selbst einen guten Kompromiss zwischen Nutzen- und Aufwand finden. In manchen Dingen ist das Smartphone sicher unschlagbar, aber vieles lässt sich auch mit weniger Displayzeit lösen.
So konnte ich zum Beispiel mit der Nutzung eines Mini-Whiteboards meine Alltagsorganisation deutlich weniger vom Smartphone abhängig gestalten. Auch mit Sprachassistenz-Geräten wie Google Home/Nest oder Amazon Echo lassen sich viele Aktionen ohne Smartphone vornehmen. Wie ich Sprachassistenzsysteme in meinem Alltag nutze werde ich in Zukunft in einem gesonderten Beitrag eingehend behandeln.
Sind wir ehrlich: Manchmal geht’s bei der Smartphone-Nutzung einfach nur um die Stimulation, die man braucht, um durch den Tag zu kommen. Aber möglicherweise findest du andere Formen, die dich nicht so sehr in Versuchung führen den Rest des Tages auf Social Media zu verbringen (auch dazu in Zukunft mehr).
Wenn du alle Funktionen deines Smartphones ersetzen kannst, außer dem Telefon selbst, bist du möglicherweise bereit für ein „Dumbphone“. Sprich: Zurück zum alten Tastenhandy. Da muss man aber wirklich Lust drauf haben oder es als aller letzte Möglichkeit sehen, dem Einfluss des Smartphones zu entgehen. Ich mag dafür zum Beispiel meine Smartphone-Kamera viel zu sehr…
3. Ablenkungen blockieren
Manchmal lässt sich auf eine digitale Umgebung nicht verzichten. Sei es für die Arbeit, Schule, Studium oder Hobbies. Dann kann es neben den im vorherigen Abschnitt genannten Maßnahmen helfen, die Versuchung durch Ablenkungen gezielt zu blockieren. Statt sich auf die reine Willenskraft zu verlassen, ist es äußerst hilfreich, sich von der Technik selbst bei der Einhaltung der eigenen Regeln unterstützen zu lassen.
Die Tools und ihre Funktionen
Viele Smartphones bieten bereits von Werk die Möglichkeit bestimmte Anwendungen oder Websites für einen definierten Zeitraum zu blockieren oder die gewünschte Nutzungsdauer einzustellen. Gerade bei Android-Geräten ist jedoch das Problem, dass diese Sperren viel zu einfach zu umgehen sind. Deshalb bieten sich hier vor allem Tools von Drittanbietern an. Da es eine riesige Auswahl an solchen Apps gibt und die Entscheidung für eine App am Ende von den persönlichen Präferenzen abhängt, werde ich hier nur die von mir genutzte Anwendung vorstellen („Lock Me Out“). Das „Bildschirmzeit“-Feature auf iPhones bietet dagegen von Haus die Möglichkeit die Weiternutzung einer limitierten App mit einem Passcode zu sperren.
Generell sind Tools empfehlenswert, die solch eine Eingabe erfordern oder anderweitige Maßnahmen bieten, um eine Manipulation oder Umgehung der Sperre zu verhindern. Diesen Passcode bewahrt man bestenfalls analog auf und/oder lässt ihn von einer vertrauten Person aufbewahren. Viele Tools bieten zudem die Möglichkeit eines „Notfallzugangs“ und lassen dich gesperrte Anwendungen oder Geräte beispielsweise alle 10 Minuten für 1 Minute nutzen. Das kann nützlich sein, wenn gerade das gesamte Gerät aufgrund von Übernutzung gesperrt ist, aber man bei einer Kontrolle sein digitales Ticket vorzeigen möchte. Wichtig ist auch dabei, dass hier kein Missbrauch möglich ist bzw. dieser weitestgehend eingeschränkt wird. In Notfallsituationen relevante Funktionen, wie das Telefon, bleiben natürlich auch von einer kompletten Gerätesperre unbetroffen.
Auf dem PC nutze ich seit Jahren mit großer Zufriedenheit den „Cold Turkey Blocker„. Damit lassen sich Anwendungen, Websites oder das ganze Gerät sperren. Dabei können unterschiedliche Bedingungen für das Ende eines Blocks konfiguriert werden, wie beispielsweise ein bestimmtes Zeitfenster oder der Geräteneustart. Zudem lassen sich auch geplante wiederkehrende Blocks anlegen, die zum Beispiel während der Arbeitszeit aktiv sind. Ebenfalls besteht die Möglichkeit feste Pausenzeiten bzw. Kontingente zu definieren.
Wer noch weiter gehen möchte kann auch schauen, ob der eigene Router die Möglichkeit zur Sperre bestimmter Webseiten anbietet. Dies gilt dann direkt für das gesamte Heimnetzwerk, lässt sich allerdings am Smartphone einfach mit der Nutzung der mobilen Datenverbindung umgehen. Zudem kann in vielen Routern auch ein Zeitraum festgelegt werden, in dem das WLAN deaktiviert ist. So kannst du eventuell die Mediennutzung am Abend etwas reduzieren (und Strom sparen!). Auch hier kann man natürlich mit einer mobilen Datenverbindung das Ganze umgehen (aber es geht ja immer darum, alles so „unbequem“ wie möglich zu machen).
Die Möglichkeiten, wie man diese Tools nutzt sind beinahe unbegrenzt. Ich stelle euch hier meine persönlichen Anwendungsfälle vor und einige Beispiele. Die von mir genutzten Anwendungen bieten zwar Premiumfunktionen gegen Aufpreis, können aber auch problemlos in der Gratisvariante erfolgreich genutzt werden.
Grundsätzlich kann man in zwei Formen der Sperren unterscheiden (und natürlich die dritte und beste Möglichkeit: ganz auf das Gerät zu verzichten 😉 ).
Regelbasierte Blocks
In welchem Zeitraum sollen welche Anwendungen oder Geräte nutzbar sein? Für ablenkende Apps und Websites bieten sich natürlich geplante Blocks, während wiederkehrender Produktivitätszeiten an. Auch hier ist die anfängliche Reflektion wieder der beste Ausgangspunkt. Was lenkt in welchem Zusammenhang besonders ab? So lassen sich unterschiedliche Blocklisten anlegen, die kontextabhängig störende App oder Webseiten beinhalten. Möglicherweise möchte man aber auch dauerhaft Abstand von bestimmten Inhalten nehmen, dann lässt sich natürlich auch ein zeitlich unbegrenzter Block einrichten.
Auf dem Handy habe ich so zum Beispiel an Wochentagen – mit Ausnahme des Zeitraumes von 18:00 bis 20:15 – alle auf dem Gerät verbliebenen ablenkenden Apps geblockt. Diesen festgelegten Zeitraum nutze ich dann, um Nachrichten zu beantworten oder im Internet zu surfen. Da das Handy mich zu sehr zum „rumspielen“ verleitet, ist es tagsüber allerdings meistens eh ausgeschaltet in einem anderen Raum.
Am PC nutze ich unter der Woche einen durchgängigen Block, in dem ich alle für mich ablenkenden Websites gesammelt habe (von sozialen Netzwerken, Nachrichtenseiten bis zu Online-Shops). Dieser endet am Freitagmittag und ich leite das Wochenende dann damit ein, die Infos der Woche nachzuholen. Daneben verwende ich noch einen weitere Regel, für Phasen der besonderen Konzentration. Dort wird nochmal strenger geblockt, beispielsweise E-Mails und Messenger. Diese schalte ich manuell ein und lasse sie nicht zeitbasiert laufen, sondern kann sie durch die Eingabe einer zufälligen Zeichenfolge beenden. Das reicht meist aus und hat eher symbolischen Charakter.
Wer noch weiter gehen will, kann auch auf so genanntes „Whitelisting“ zurückgreifen. Dabei werde nicht die Anwendungen und Webseiten definiert, die man blockieren möchte, sondern nur die Dienste, auf die man zugreifen darf. Das kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn man die Arbeit beispielsweise auf ein Textverarbeitungsprogramm beschränken möchte.
Nutzungsbasierte Blocks
Manchmal kommt man nicht drum rum, das Handy wird einfach benötigt. Dann ist es gut ein Sicherheitsnetz zu haben. Oder man kann sich einfach grundsätzlich nicht „beherrschen“. Die relevanten Metriken sind hierbei zum einen natürlich die in der App verbrachte Zeit, aber auch die Entsperrungen des Geräts bzw. Öffnungen der App.
Ich nutze hier zwei Regeln. Zum einen einen Block, der auf der Gesamtnutzungsdauer des Gerätes am Tag basiert. Zum anderen einen Block, der das „Versacken“ am Handy etwas reduzieren soll und bei einer Nutzung von 30 Minuten innerhalb einer Stunde das Gerät für 30 Minuten sperrt.
Ist dein Problem eher weniger die Dauer der Nutzung, sondern mehr die Häufigkeit, kannst du natürlich auch Regeln bezüglich der Entsperrungen oder App-Öffnungen festlegen. Zum Beispiel: Die App wird für 30 Minuten gesperrt, nachdem man sie innerhalb einer Stunde X Mal geöffnet hat. Sich dem Thema über Entsperrungen/Interaktionen zu nähern, kann vermutlich besonders dabei helfen einen achtsameren Umgang mit dem Gerät und bestimmten Anwendungen zu schulen. Außerdem werden so „Checking Loops“ gebrochen, in denen man wahllos immer wieder die gleichen Apps öffnet und aktualisiert.
Das Wichtigste in Kürze
In diesem Beitrag hast du verschiedene Möglichkeiten kennengelernt, um dich weniger von digitalen Geräten ablenken zu lassen und mehr Kontrolle über dein digitales Leben zu erlangen. Das Thema ist sehr komplex. Die vermuteten negativen Effekte der Nutzung digitaler Geräte, wie Stimmungsschwankungen oder Konzentrationsstörungen, können sicher nicht abschließend geklärt werden. Für viele – einschließlich mir – ist aufgrund ihrer exekutiven Dysfunktion die Nutzung digitaler Medien und insbesondere von Smartphones jedoch mit Herausforderungen verbunden. Gerade wenn es darum geht, konzentriert oder bewusst im gegenwärtigen Moment zu sein.
Hilfreich kann da sein:
- Die Nutzung erfassen und reflektieren – wie lange nutze ich Anwendungen und Geräte? In welchen Situationen greife ich darauf zurück? Wie fühle ich mich dabei?
- Bewusst die eigenen Grenzen für die Nutzung formulieren.
- Das digitale Leben ausmisten und nur noch die wirklich relevanten Dienste und Informationsquellen behalten.
- Geräte möglichst „lautlos“ stellen und als bewusste Entscheidung mit ihnen interagieren, statt als automatische Reaktion auf Benachrichtigungen.
- Geräte so „langweilig“ und „unbequem“ in der Nutzung machen wie möglich.
- Multi-Tasking vermeiden und nach Möglichkeit analoge Alternativen nutzen.
- Dort wo kein Abstand möglich ist, mit Blocksoftware und Sperren arbeiten.
- Offline-Zeiten und Abstand schaffen – die Welt da draußen genießen.
Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg beim ausprobieren dieser und deiner eigenen Strategien. Und immer dran denken: Wenn etwas für dich langfristig keine Erfolge bringt, dann ist es vermutlich einfach nichts für dich. Disziplin ist wichtig, aber am Ende steht die Steigerung deines Wohlbefindens. Langfristig geht es um ein besseres Bewusstsein und neue gesündere Gewohnheiten. Falls du noch weiter in das Thema eintauchen möchtest, kann ich dir das Buch „Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie“ von Cal Newport empfehlen.